Daniel verwandelt sich regelmäßig in die Drag Queen Electra Pain. Die bunte Kunstfigur hat über 200k Follower auf TikTok und 31,8k Follower bei Instagram. Ihren Erfolg nutzt sie vor allem, um auf die Anliegen und Probleme der LGBTQ+ Gemeinschaft aufmerksam zu machen. Wir haben mit ihr über ihr Leben, Social Media, Drag und ihren ganz eigenen Spreadshop gesprochen.
Hi Daniel! Vielen Dank, dass Du Dir Zeit nimmst für dieses Interview. In Deinen eigenen Worten: Was ist eine Drag Queen?
Drag ist in erster Linie eine Kunstform, die jede*r ausüben kann – unabhängig von Geschlecht, sexueller Orientierung und so weiter. Mit Make-Up und Mode kann man seiner Kreativität freien Lauf lassen, sich selbst ausdrücken und eine andere Seite an sich entdecken, fernab von gesellschaftlichen Normen und Schubladen. Eine Drag Queen stellt die weiblichen Klischees übertrieben da, sprengt Gendergrenzen und hält der Gesellschaft den Spiegel vor. Außerdem unterhalten wir die Menschen durch unsere Bühnenshows und lassen sie für einige Zeit den stressigen Alltag vergessen.
Apropos Gendergrenzen sprengen – wie stehst Du zum Thema „Gendern in der Sprache“?
Ich finde, dass Gendern absolut sinnvoll und notwendig ist. Alle Geschlechter sollten sich in unserer Sprache wiederfinden und angesprochen fühlen, denn das schafft Gleichberechtigung. Wenn wir unsere Sprache ändern, wird sich im Laufe der Zeit auch in vielen Köpfen etwas ändern.
Verstehst Du Dich eigentlich als Künstler oder als Künstlerin?
Es kommt immer darauf an, in welcher Rolle ich mich gerade befinde. Als Privatperson Daniel bezeichne ich mich als Künstler und als Electra bin ich eine Künstlerin. Da Electra eine weibliche Erscheinung ist, möchte ich in der Rolle auch nur in der weiblichen Form angesprochen werden. Als Daniel bin ich da etwas flexibler, da werde ich von Freunden mit beiden Varianten angesprochen.
Welche Eigenschaften muss eine Person Deiner Meinung nach mitbringen, wenn sie Drag Queen werden möchte?
Im Prinzip kann jeder zur Drag Queen werden. Spaß an Make-up und der Verwandlung sind dabei die einzigen Voraussetzungen. Man sollte aber wissen, dass es eine sehr zeit- und kostenintensive Leidenschaft ist. In der Regel wird man damit nicht reich. Außerdem sollte man in der Rolle nicht allzu introvertiert sein, gerade wenn man auf die Bühne möchte.
Wie war Dein allererster Auftritt als Drag Queen? Wie kamst Du überhaupt dazu?
Mein erster Auftritt war 2012 auf einer kleinen LGBTQ+ Party in Fulda. Während dem Auftritt war ich super aufgeregt und auf der Bühne lief nicht alles perfekt. Aber ich habe mich dabei unglaublich wohlgefühlt und das positive Feedback und die Komplimente haben mich bestärkt, weiterzumachen.
Zur Drag-Queen-Kunst kam ich, nachdem ich vom Land nach Frankfurt gezogen bin. Ich sah andere Drag Queens auf der Bühne und hatte danach den Wunsch, diese Kunstform auch einmal auszuprobieren. Eines Tages schminkte mich eine Freundin und wir gingen zusammen ins Nachtleben. Ich liebte die Blicke der Menschen und genoss es, die feminine Seite an mir zu entdecken und auszuleben. Von da an verwandelte ich mich regelmäßig zur Drag Queen und wurde immer professioneller.
Würdest Du Electra Pain als Kunstfigur bezeichnen oder ist sie auch in Deinem Privatleben präsent?
Ja, Electra ist eine reine Kunstfigur. Sie ist sozusagen ein Gegenpol zu meiner eher schüchternen und ruhigen Art, die ich als Privatperson habe. Electra hat ihren eigenen Kleiderschrank und da bleibt sie auch zwischen den Auftritten.
Was hat es eigentlich mit dem Namen „Electra Pain“ auf sich?
Da ich privat eher schüchtern bin, wollte ich meiner Kunstfigur einen Namen geben, der Stärke und Selbstbewusstsein ausstrahlt. Den Namen Electra fand ich schon immer cool und Pain hat sich nach einiger Zeit einfach so ergeben. Nachdem ich mich in der Anfangszeit mehrmals verletzt hatte (Finger beim Sturz gebrochen etc.), war der Name in mehrfacher Hinsicht passend.
Verfolgt Electra Pain neben dem Spaß, denn sie ganz offensichtlich hat, auch noch andere Ziele?
Ich setze mich politisch ein und sehe mich als Aktivistin für LGBTQ+ Rechte. Als Electra habe ich das Glück, viel Aufmerksamkeit zu bekommen, und das möchte ich positiv nutzen. Aktuell steigen leider die Zahlen von Diskriminierung und Gewaltattacken gegen uns LGBTQ+ Menschen. Da darf man nicht tatenlos zusehen. Ich möchte vermitteln, dass die Gesellschaft bunt ist und jeder Mensch so leben darf, wie er möchte.
Hast Du selbst schon Homophobie erlebt? Inwiefern kann Drag im Kampf gegen Homophobie helfen?
In Frankfurt wurde ich tatsächlich schonmal geschlagen, nachdem ich von einer LGBTQ+ Party kam. Zu diesem Zeitpunkt war ich nicht als Drag Queen gestylt, die Täter fühlten sich allein durch meine Homosexualität provoziert. Sie wurden zum Glück gefasst und verurteilt. Allerdings hat mich diese Tat sehr schockiert und geprägt.
Wir Drag Queens haben durch unsere auffällige Erscheinung eine Stimme – uns hört man zu. Diese Stimme nutze ich, um Aufklärung in Bezug auf LGBTQ+ Themen zu betreiben. Außerdem zeigen wir, dass die Gesellschaft bunt ist! Ich bin sicher, dass Sichtbarkeit und Aufklärung die Schlüssel zu mehr Akzeptanz sind – und dazu tragen wir Drag Queens bei.
Interessant. Electra Pain kleidet sich ja sehr gern in knalligen und auffälligen Farben. Warum?
Der Alltag ist oft schon grau genug, deshalb möchte ich mit meinem bunten Styling etwas Farbe in die Welt bringen! Privat mag ich eher unauffällige Farben – Electra ist jedoch eine Rampensau und will am liebsten schon aus 100 Kilometern Entfernung gesehen werden.
Du verkaufst über Spreadshop Deine eigene Fanartikel mit einem ziemlich bunten Electra Pain-Design. Wie bist Du auf die Idee gekommen?
Ich wurde schon sehr oft nach Fanartikeln gefragt und fand die Idee von Anfang an genial, weil ich meinen Fans für die Unterstützung etwas zurückgeben wollte. Zunächst hatte ich aber kein optimales Design. Dann habe ich eine Illustration von mir anfertigen lassen und fand sie so toll, dass ich sie mit der ganzen Welt teilen wollte. Ab diesem Moment ging alles ganz schnell und plötzlich war mein Shop da!
Freut uns jedenfalls sehr, dass Du dabei bist! Warum hast Du Dich letztlich für einen Spreadshop entschieden?
Nachdem ich die Idee hatte, mein eigenes Merchandise zu vertreiben, habe ich einige Shops verglichen. Am Ende habe ich mich für Spreadshop entschieden, weil ich die Produktauswahl am interessantesten und vielfältigsten finde. Außerdem gefällt mir die Möglichkeit, einen eigenen personalisierten Shop einrichten zu können, dessen Design man ganz nach Geschmack gestalten kann.
Hast Du schon Selfies von Fans in Deinem Merch bekommen oder gar jemanden persönlich getroffen, der Deine Sachen trägt? Was bedeutet das für Dich?
Ich habe tatsächlich schon einige Selfies mit meinem Merch zugeschickt bekommen und es fühlt sich einfach großartig an. Die Produkte sehen alle so toll an meinen Fans aus und es macht mich stolz, dass sie damit auf die Straße gehen und ein Zeichen für Vielfalt und Akzeptanz setzen.
Electra Pain ist die Mutter des House of Pain, einem Netzwerk für Newcomer in der Drag-Queen-Kunst. Wie schaut Deine Mutterrolle aus und spielen das Thema Vermarktung und ggf. Spreadshop dabei eine Rolle?
Wir sind mittlerweile zehn Drag Queens aus ganz Deutschland und es fühlt sich an wie eine Familie. Wir tauschen uns über Drag-Queen-Themen aus, aber auch bei privaten Fragen und Problemen findet jeder ein offenes Ohr. Es macht mir Spaß, meinen Mädels Tipps zu geben und sie bei ihren ersten Schritten im Drag Queen Business an die Hand nehmen zu dürfen. Ich selbst hätte mir diese Unterstützung zu meiner Anfangszeit auch gewünscht.
Dass Ihr im House of Pain auch privat zueinander haltet, hat ja auch etwas mit der Tradition der Drag Houses in Amerika zu tun… Kannst Du uns dazu etwas erzählen?
Die ursprüngliche Form des Houses entstand zu einer Zeit, in der viele LGBTQ+ Personen von den eigenen Familien verstoßen wurden. Das House gab einem die Möglichkeit, mit Menschen, die dasselbe Schicksal erlitten, zusammenzuleben. Es entstand ein starkes Zusammengehörigkeitsgefühl und ein Schutzraum, in dem sich jeder frei ausleben konnte. Jedes House hatte außerdem eine House-Mutter. Sie hat die jungen Mitglieder in der Drag-Kunst ausgebildet und zusammen hat man an sogenannten Balls (Bällen, Anmk.) teilgenommen und ist in verschiedenen Kategorien gegen andere Houses angetreten.
Ich bin die Drag-Mutter im House of Pain und wir haben unsere ganz eigene Version daraus gemacht. Mittlerweile sind wir zehn tolle Queens, die verteilt in ganz Deutschland wohnen und alle zu engen Freund*innen geworden sind. Wir gehen unserer gemeinsamen Leidenschaft nach, geben uns gegenseitig Tipps und standen schon zusammen auf der Bühne. Darüber hinaus reden wir auch über private Sorgen und sind immer füreinander da.
Du bist auf vielen Social-Media-Kanälen, nicht nur als Electra Pain, sondern auch privat, sehr aktiv. Welchen Stellenwert haben die Sozialen Netzwerke in Deinem und in Electra Pains Leben?
Social Media hat einen sehr hohen Stellenwert für Electra, da fast das komplette Marketing darüber läuft. Ich nutze die Social-Media-Kanäle, um auf mich aufmerksam zu machen, aber auch, um meine Follower zu unterhalten und sie an meinem Leben teilhaben zu lassen. Für mich als Privatperson habe ich jedoch keinen separaten Account, da ich auf dem Account von Electra beide Seiten von mir zeige. Meine Follower finden es spannend, diese beiden sehr konträren Seiten zu sehen.
Wir finden es auch sehr spannend, dass Du beide Seiten von Dir zeigst! Wie gehst Du eigentlich beim Bewerben Deines Shops vor? Verfolgst Du eine bestimmte Strategie?
Bisher nicht. Ich teile den Shop regelmäßig auf meinen Social-Media-Kanälen wie Instagram, TikTok und Facebook, da ich meine Fans auf diesem Weg am besten erreiche.
Was würdest Du anderen Menschen sagen, die mit dem Gedanken spielen, einen Spreadshop zu eröffnen?
Ich kann Spreadshop wirklich uneingeschränkt empfehlen und würde jedem raten, es einfach mal auszuprobieren. Man hat kein finanzielles Risiko und kann seiner Kreativität freien Lauf lassen.
Danke für Deine Zeit und das Interview! Wir wünschen Dir weiterhin alles Gute – als Daniel und als Electra Pain. Das Design von Electra Pain findest Du in ihrem Shop. Noch mehr bunte Outfits und Daniel ganz privat gibt’s bei TikTok und Instagram.